THOMAS BERNHARD UND ER _____ eine Verwechslung
für Clemens Schittko
Nichts in dieser Sache ist erledigt. Und zu sagen gibt es noch so einiges.
Die Ähnlichkeit zwischen Clemens Schittko und Thomas Bernhard ist in der Tat frappierend. Dass Schittko diese Frappanz mit eigenem Statement nun in der perspektive 118 öffentlich macht ist eine große Erleichterung. Als ich Clemens Schittko erstmals von weitem sah dachte ich – unglaublich. Der Mann sieht aus wie Thomas Bernhard. Eine höchst ungewöhnliche Ähnlichkeit. Ich war kurz davor zu ihm zu gehen und ihm meine Wahrnehmung mitzuteilen. Weißt du eigentlich dass du aussiehst wie Thomas Bernhard? Ich riss mich zusammen. Ich hielt das für alles andere als ein Kompliment. Irritiert war ich dennoch. Höchst irritiert. Umso mehr irritierter als ich einmal eine Lesung von Schittko besuchte die mit „Clemens Schittko liest…“ angekündigt war. Ich saß da und dachte: Wie kann das sein? Da liest Clemens Schittko ganz offensichtlich Schittkotexte aber der Vortragende könnte auch Thomas Bernhard sein. Lebt Thomas Bernhard etwa noch? Ist gar nicht tot und gestorben? Und tritt nun in neuer Hülle und der Gestalt von Clemens Schittko auf mit neuen Bernhardtexten? Ich traute meinen Augen nicht jedoch den Ohren. Ihre Stimmen unterscheiden sich. Das beruhigte mich. Zunächst. Dem Schittko fehlt das Österreichische im Unterton. Vielleicht hat er das bei seinen Österreichlesungen drauf so dass ÖsterreicherInnen noch irritierter sind als ich es war. Was aber wenn es Bernhard war der als Stimmenimitator auftrat?
Ich will mich ich will uns nicht verrückt machen. Thomas Bernhard ist tot. Schon seit langem. Ich selbst schrieb einen Gegennachruf nachdem er 1989 gestorben war. Und der Schittko lebte als ich ihn Schittkotexte vortragen sah und hörte. (Höchstwahrscheinlich lebt er sogar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Reflexes noch. Falls er zwischenzeitlich nicht gestorben ist. Alles ist möglich. Wir wissen das. Der Tod lauert an jeder Ecke.)
Schittkos Text beweist allerdings nicht dass er Schittko noch lebt. Ein Gedankenfehler. Ist das der perspektive_redaktion nicht aufgefallen? Ein veröffentlichter Text eines Autors beweist absolut nicht ob der Verfasser noch am Leben ist. Da muss ich den Schittko korrigieren. Da hat er sich geirrt. Oder nicht klar genug ausgedrückt.
Kürzlich las ich Bernhards STIMMENIMITATOR. Vermutlich wurde Thomas Bernhard durch mein Lesen seines STIMMENIMITATORs nicht lebendig. Blieb im Grabe liegen und rührte sich nicht. Beweisen kann ich das natürlich nicht. Nur beweist eben ein veröffentlichter Text nicht ob da einer noch am Leben oder schon tot ist. Darum ist die Sache längst nicht abgeschlossen wie der Schittko es gern hätte. Mit seinem in die Welt hinausgeschleuderten Text THOMAS BERNHARD UND ICH fangen die Spekulationen erst an. Wuchern. Nehmen ihren Lauf. Verzweigen sich ins weite Netz eines Rhizoms. Clemens Schittko könnte ein verheimlichter Sohn von Thomas Bernhard sein. Man weiß ja nie. Er sollte mal seine Mutter befragen. Ein heimliches Rendezvous mit Thomas Bernhard in den 70ern und der Folge dass da ein Clemens Schittko auf die Welt kommt liegt im Bereich des Möglichen. Das Leben spielt Spiele nach uns oft unbekannten Regeln.
Aber darf ich das überhaupt spekulieren? Ist das nicht zu übergriffig? Greift das nicht zu sehr in die Intimsphäre von Clemens Schittkos Mutter ein? Thomas Bernhard ist tot ihn dürfte es weniger kratzen. Dafür spricht dass der Sohn nach seiner Karriere als Gebäudereiniger zu schreiben begann. Die Gene bestimmen unser Leben insbesondere die vererbten. Nicht alle aber einige. Da sollte er mal nachbohren. Einen Vaterschaftstest erzwingen. Und seine frappierende Ähnlichkeit mit Thomas Bernhard nicht einfach so als erledigt erklären. Da ist nämlich gar nichts erledigt wenn ein Clemens Schittko aussieht wie Thomas Bernhard. Ganz im Gegenteil. Das ist erst der Anfang. Futter für FeuilletonistInnen LiteraturkritikerInnen Germanistenhaie. Wer weiß was da noch alles zu Tage käme. Ob dem Clemens Schittko das angenehm ist? Keine Ahnung. Vielleicht hätte er besser geschwiegen. Ich hätte dann auch geschwiegen. So wie ich schwieg als man mich jahrelang mit RolfDieter Brinkmann verwechselte. Unzählige traten in meinen 30ern mit der Bemerkung an mich heran dass ich aussehe wie RolfDieter Brinkmann. Habe aber dies stets verneint abgewinkt oder die Leute mit strafender Mimik stehenlassen. Jetzt hoffe ich der Clemens Schittko bringt sich nicht um wie so einige Gestalten im STIMMENIMITATOR die sich ihrer Existenz oder der Unmöglichkeit ihrer Existenz bewußt werden. Die Ähnlichkeit zwischen Schittko und Bernhard ist nämlich in der Tat frappierend. Und nichts in dieser Sache ist erledigt.
Georg Wahnfried