Einige verstreute Notizen während der Arbeiten und Diskussionen zum „Übersetzen als Ereignis“
„Ratespiel“ Übersetzung oder Original
- immer wieder die Frage: ist die vermutete Abweichung von der sprachlich-grammatikalischen „Norm“ oder im Register Ausdruck eines original-verschrobenen Geistes oder Anzeichen einer vom Original übernommenen Struktur
- kann eine schlechte Übersetzung nicht auch ein schlechtes Original sein?
- unterscheiden sich fremdsprachliche Register? was ist, wenn ein Autor sich eine fremde Kultur angeeignet hat (Beispiel Hölderlins Griechenland)
- Beispiel: Blödian, würde man so im deutschen Gedicht nicht benutzen, aber was bedeutet das nun: Übersetzung, die auf ein „unübersetzbares“ Wort verweist oder schrullige Originalität?
Benjamin (Aufsatz über das Übersetzen – https://www.textlog.de/benjamin-aufgabe-uebersetzers.html)
- Ursprache: adamitisches Sprechen, religiöse Aufladung, Herkunft von der Romantik? Novalis? Verbindung zu Buber etc. was ist dort: „Originull“ (Ableev)?
- „Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern, daß die Leute meinen – sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbst bekümmert, weiß keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und fruchtbares Geheimnis, – daß wenn einer bloß spricht, um zu sprechen, er gerade die herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas Bestimmten sprechen, so läßt ihn die launige Sprache das lächerlichste und verkehrteste Zeug sagen. Daraus entsteht auch der Haß, den so manche ernsthafte Leute gegen die Sprache haben. Sie merken ihren Mutwillen, merken aber nicht, daß das verächtliche Schwatzen die unendlich ernsthafte Seite der Sprache ist.“ (Novalis – Monolog https://signaturen-magazin.de/novalis–monolog-1.html)
- gibt es einen Fortschritt in der Wissenschaftlichkeit zu mehr Adäquatheit? Z.B. Überwindung binärer Strukturen hin zu triadischen?
- größere Präzision in der Terminologie inzwischen (Strukturalismus hin zu semiotischen Theorien?), fehlende Rezeptionsästhetik bei Benjamin einerseits, aber muss es sein? Ist das nicht Soziologie?
- warum Tangente, warum nicht Kreise (Bild bei Benjamin), welche Metapher hat welche „Vorteile“ bei der Beschreibung translatorischer Prozesse?
- Tangente und Kreis zwei verschiedene sich fremde „Sphären“?
- Benjamins Verweis auf die „Art der Meinens“, das „Echo des Originals“ (Mitschwingen von Konnotationen) – keine „Neudichtung“, sondern „Wirkungsäquivalenz“?
- Borges, Pierre Menard
- Pendeln zwischen Wirkunsäquivalenz (Angleichung/Annäherung an die Wirkung des Originals) und Wörtlichkeit/Wortlaut=Differenz (jede Sprache ein eigenes „Universum“, unübersetzbar, das Deutsche „verenglischen“ etc)
- Dedecius als der ungekörnte Meister der Wirkungsäquivalenzübersetzung (der allerdings historisch verhaftet bleibt, die Wirkunsäquivalenz historisch erdet)
- das Bild Benjamins von der Schale des Originals (oder der Ausgangssprache) und der Scherbe der Übersetzung: die Spannung des Originals finden. aber wie findet man diese „Spannung“ – durch fomale Suche oder durch Intuition und „method acting“ (was auf den unintentionalen Zugang des Originals zurückverweist? Frage!) – aber erst, wenn man diese Spannung findet, kann man die Scherbe …. einsetzen? schaffen?
- die Schale des Originals – von dem Hintergrund der „Kabbala“ etc. „entkernen“ – Yoko Tawada: die Übersetzung wirkt auf das Original zurück und schafft erst das große Ganze des Originals
Chlebnikow
- sind die Übersetzungen Chlebnikows zu zeitgebunden? Chlebnikow wird zu lustig, einerseits zu sinnbefrachtet, andererseits zu clownig, die Unheimlichkeit Chlebnikows wird nicht übertragen
- war damals in der Ausgabe Peter Urbans (Herausgeber) sofort ausverkauft: Sprache als Sprachmaterial wieder entdecken, für viele Dichter elektrisierend
- trotzdem noch in der Denkungsweise noch zu „satzgebunden“, zeitgebunden? oder wieso wirken sie heute auf uns doch etwas zahnlos, die rein lautliche Übersetzung als Schmähen (Schmäh-Hatschi) gewinnt hingegen eigenartigen Schwung, wie kann das sein?