Offene Akademie: Martina Hefter

Stipendien und Preise: Was wir tun könnten

 

Zwei Infos vorab: Erstens, diesen Text habe ich mit der Sprachassistenzfunktion auf dem iPhone erstellt. D.h. ich habe ins Handy gesprochen und die Assistenzfunktion hat es direkt in einen schriftlichen Text umgewandelt und ich habe nachträglich nur Rechtschreibfehler, Kommas, Punkte, Verhörer und gendern korrigiert oder eingefügt.

Die zweite Info betrifft die Transparenz. Ich werde am Ende des Textes sämtliche Stipendien und Preise, die ich jemals erhalten habe, in einer Liste aufführen, damit man sie in Bezug zu dem setzen kann, was ich hier sage beziehungsweise schreibe.

Ich möchte was zur Stipendiumsdebatte beitragen. Genauer gesagt zur Stipendiums- und Preisdebatte, beides ist eigentlich nicht voneinander zu trennen.

Zuvor möchte ich aber generell etwas zur Förderung und Förderbedürftigkeit in der Kunst sagen. Es gibt ja immer wieder diese Stimmen, die der Kunst generell Förderung und auch Förderwürdigkeit absprechen, weil man meint, Kunst sei nicht gesellschaftlich relevant. Es gibt auch diese Stimmen, dass wir Künstlerinnen eine elitäre Gruppe sind, die in aller Frechheit öffentliche Steuergelder für ihren unverständlichen Mist beansprucht. Besonders in der Literatur hört man das oft, und da besonders in der Lyrik. Es gibt Stimmen, die sagen: Selbst schuld. Wenn ihr solche Lyrik schreibt, dann verkauft ihr euch nicht gut und dann wollt ihr für diese Unverkäuflichkeit und Unverständlichkeit auch noch gefördert werden.

Diese Stimmen kommen leider auch aus den eigenen Reihen.

Auch alle Theater, auch die großen, alle Museen, auch die großen – jede Kunstsparte in Deutschland ist mit öffentlichen Mitteln bezuschusst und gefördert. Auch die allermeiste deutsche/europäische Filmlandschaft bekommt Förderung und ist auf sie angewiesen. Gäbe es diese gesamte Förderung nicht, dürften wir und könnten wir auch nicht einmal ins Kino gehen oder nur in die öden Hollywood-Blockbusterfilme. Wir würden niemals ins Museum gehen, wir würden niemals ins Theater gehen, weder in kleine Produktionen der Freien Szene, noch in die großen Theaterhäuser mit großen Produktionen. Auch nicht ins Gewandhaus zum Konzert. Keine einzige der großen Kultureinrichtungen in Deutschland trägt sich selbst . Es gibt also keinen Grund, in der Literatur jemandem vorzuwerfen, dass er*sie (auch) von Förderung lebt.

Meine Vorredner*innen haben sich hauptsächlich mit der Form des Aufenthaltsstipendiums beschäftigt. Dazu kann ich nicht so viel sagen, außer dass ich es nicht für eine besonders zeitgemäße Form der Förderung halte, wenn gar nicht so kleine Teile der Auto*innenschaft davon ausgeschlossen sind – nicht nur, weil man manchmal Kinder nicht mitbringen darf, sondern zum Beispiel auch, weil man aus medizinischen Gründen nicht einfach seinen Aufenthalt verändern kann. Weil man einen Brotjob hat. Weil man in anderen künstlerischen Bereichen tätig ist, die eine Anwesenheit am Wohnort verlangen. Weil man pflegende Angehörige eines kranken Menschen ist. Was könnte sich ändern? Aufenthalte könnten in mehrere kleine Intervalle geteilt werden. Als Stadtschreiber*in könnte man sich auch digital mit der betreffenden Stadt beschäftigen und nur für kürzere Zeiträume anwesend sein. In ein Schloss auf dem Land könnte man über einen längeren Zeitraum immer mal nur für ein paar Tage fahren dürfen.

Was normale Preise und Stipendien angeht, glaube ich, dass es zunächst mal notwendig ist, dass wir uns darüber Gedanken machen, was diese Stipendien und Preise für uns überhaupt bedeuten. Also ob sie eine Förderung für uns darstellen –  oder ob sie auch eine Auszeichnung für uns darstellen. Im Moment sehe ich da eher eine Vermischung von beidem, und ich glaube, das ist eines der großen Probleme bei der Förderung überhaupt: Das Zusammenbringen von Geld mit einer Vorstellung von Exzellenz.

Bei den Literaturpreisen ist das am stärksten bemerkbar, denn natürlich begreifen wir Preise immer auch als Auszeichnung unserer Arbeit – die aber dann sofort mit Geld verknüpft ist. Damit gehorchen wir natürlich dem kapitalistischen Gesetz, dass Leistung mit Geld belohnt wird. Wenn aber Preise eine Form der Förderung sein sollen, wie es in letzter Zeit immer öfter heißt, dann müssten wir sie theoretisch vom Exzellenzgedanken entkoppeln. Förderung sollte nämlich nicht an die Vorstellung von Exzellenz gebunden sein – sondern an eine Vorstellung von Machbarkeit, Zugewandtheit, Erfahrbarkeit, Vermittlungsenergie, gesellschaftlicher Relevanz (jeweils der zu fördernden Werke).

Es wäre schon mal allen geholfen, wenn es bei der Vergabe von Preisen nicht diese berühmt-berüchtigte Preishäufung gäbe. Man kann wirklich nicht mehr von einer Förderung sprechen, wenn immer dieselben Personen die Preise bekommen. Das hat mit Förderung nichts mehr zu tun.

Was Arbeitsstipendien angeht, nehme ich wahr, dass uns als Autor*innen da auch eine Vermischung unterläuft, zwischen Förderung und auch Auszeichnung. Wie sonst ist es zu erklären, dass regelmäßig bei der Vergabe der Stipendien des Deutschen Literaturfonds auf Facebook plötzlich Briefe mit der Zusage geteilt werden.

Würde man diese Förderung als ganz normale nüchterne Förderung verstehen, würde man das nicht machen, so wie man ja auch nicht jeden Monat sein Einkommen oder seine Honorare auf Facebook postet. Diese komische Verquickung zwischen Auszeichnung und Förderung ist schwierig, weil wir unbewusst verinnerlichen, wer eine Förderung bekommt, ist auch ein*e gute*r Autor*in, und wer sie nicht bekommt, ist es nicht. Wir wissen aber alle, dass das nicht stimmt.

Deswegen müssen wir als allererstes diese Verknüpfung in unseren Gehirnen wieder lösen. Deswegen müssen wir auch aufhören, Förderung als Fetisch zu begreifen.

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Förderung vom Exzellenzgedanken zu entkoppeln würde auch den Jurys helfen, ihre Entscheidungen sachlicher und gerechter zu fällen und vielleicht auch mal nach der Bedürftigkeit von Autor*innen zu schauen und danach, wie oft sie eigentlich schon gefördert wurden. Diesen ketzerischen Gedanken führe ich unten weiter aus.

Am gerechtesten und zugleich am ungerechtesten und natürlich nicht in der Realität umsetzbar, wäre eine Vergabe der öffentlichen Förderungen durch Losverfahren. Mit der Bedingung, dass sich einmal geförderte Autor*innen erst wieder nach zwei oder drei Jahren bewerben dürfen. Wenn wir uns über Stipendien und Preise unterhalten, sagen wir ja oft,  es sei eine Lotterie. Förderbedürftige Menschen so sehr dem Zufall auszusetzen, wäre natürlich vollkommen unethisch, aber es ist interessant, sich das als Gedankenspiel vorzustellen, weil ein Losverfahren die sicherste Entknüpfung zwischen Förderung und Anerkennung bedeuten würde.

Was ich ebenso für überdenkenswert, aber in der Praxis nicht einfach so umsetzbar halte, ist die Frage nach der Bedürftigkeit.

Das klingt erstmal sehr brutal. In der Realität möchte ich niemals Autor*innen, die ein gutes Einkommen etwa durch einen Brotberuf haben, vorwerfen, dass sie sich für Stipendien bewerben, aber in eine Zukunft gedacht könnte das ein Punkt sein, den es  zu bedenken gilt. Auch bei der Vergabe von Preisen würde ich hier ansetzen. Mir sind in den letzten beiden Jahren zwei Fälle begegnet, in denen sehr hoch dotierte Preise an Personen gingen, die – nach eigener Aussage – ein sehr, sehr gutes Einkommen haben.

Leute wie ich, die ausschließlich als Künstlerin arbeiten, gehen ein ungleich höheres Lebensrisiko damit ein und ich muss mich dann in Wettbewerb mit jemand stellen, der*die vielleicht einen super Professor*innenjob hat und dann trotzdem noch Preise zugesprochen bekommt, die oft so hoch sind, dass sie mir mindestens ein halbes Jahr leben und arbeiten ermöglichen würden.

Die Lösung: Preise könnten einfach als Auszeichnung vergeben werden, ohne Dotierung, das wäre sicher auch nicht ganz nutzlos. Es würde Lesungen nach sich ziehen, Aufmerksamkeit auch bei Leser*innen bringen, aber es würde uns den Druck nehmen, von diesen Preisen unmittelbar finanziell abhängig zu sein. Die Preisgelder fließen dann in die normale Förderung, die natürlich auch noch mal gut durchdacht und überarbeitet werden muss.

Jurys müssen jedes Jahr neu besetzt werden, Auswahlkriterien sowie Auswahlvorgänge müssen transparent gemacht werden.

Aus den sogenannten Vorlese-Wettbewerben könnte  man mehrtägige Veranstaltungen machen, mit Diskussionen, Performances, auch natürlich Lesungen, aber ohne Preisvergabe und ohne Wettbewerb. Es würden jedes Jahr andere Leute eingeladen, mit besonderen Augenmerk auf eine vielfältige Zusammensetzung. Die Preisgelder würden für Honorare verwendet..

Ansonsten möchte ich noch auf die Förderlandschaft in der darstellenden Kunst verweisen. Wo es natürlich auch Auswahlverfahren gibt und Jurys in den Förderstellen. Auch dort gibt es den Exzellenzgedanken, aber er ist weit weniger ausgeprägt als in der Literatur. In der Regel geht es in der Förderung der Darstellenden Kunst darum, zu gucken, wie realistisch ist ein Projekt, wie greifbar ist die Umsetzung, wie viele Menschen kann es mit welchen Themen erreichen. Man bewertet in den Förderungen eher das Konzept, nicht schon die Arbeit selbst, die ja oft genug noch nicht vorliegt. Wie groß ist das Vertrauen, dass das Projekt wirklich umgesetzt werden kann, in das ja oft ziemlich große Summen fließen sollen. Auch wird meiner Meinung nach in der Projektförderung weit mehr darauf geachtet, dass man Projekte unterschiedlicher Ausrichtungen mit unterschiedlichen Akteur*innen fördert. Und das bedeutet auch, dass die geförderten Projekte diverser sind, als es mir jetzt in der Literatur den Eindruck erweckt.

Kürzlich hat ein Theater in Mitteldeutschland drei freie Plätze für Produktionen in und mit dem Haus ausgeschrieben. Die Ideen und Konzepte dafür waren anonymisiert einzureichen. Die Ausschreibung richtet sich auch an Leute, die bisher noch keine Produktionen hatten und nicht unbedingt schon im Theater gearbeitet haben müssen. Solche Voraussetzungen und solche Strukturen zu schaffen, finde ich auch in der Literatur überlegenswert. Warum sollten nicht sämtliche Anträge auf Förderungen anonymisiert sein, und wieso sollte eigentlich immer das dictu bestehen, dass man bereits ein Buch veröffentlicht haben muss?

Ich für meinen Teil möchte trotzdem versuchen, auch auf – so verrückt das klingen mag – den Verkauf meiner Arbeiten zu setzen und Leute dazu bewegen für eine Kunst zu bezahlen, die ihnen vielleicht Erfahrungen schenkt, die sie bewegt und berührt. Auch das finde ich nicht so verkehrt, wenn man sich in diese Richtung bemüht.

Bei der Auflistung meiner Stipendien und Preise habe ich die Förderungen für meine Arbeit in der darstellenden Kunst weggelassen, ebenso die Corona Förderungen, von denen etwa ein Drittel im Bereich der Literatur lagen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass mit dem Auslaufen der Corona Förderungen, vor allem in der darstellenden Kunst mehrfach drauf hingewiesen wurde, dass die Förderung zu Zeiten von Corona eigentlich der Normalzustand sein sollte. Das gilt auch für die Literatur.

 

Stipendien/Preise

2004 Leipziger Literaturstipendium​​​​​6 Monate à EUR 1000

2004/05 Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds: ​​12 Monate á EUR 1500

2005 Förderpreis zum Lessingpreis des Freistaates Sachsen ​5500 Euro

Hermann-Lenz-Stipendium ​​​​​​EUR 6000

Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb

2006 London-Stipendium d. Deutschen Literaturfonds

(nicht angetreten wegen der beginnenden chronischen Erkrankung meines Partners)

2008 Lyrikpreis Meran ​​​​​​EUR 8000

2012 Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen (KdFS)  ​​​​​3 Monate á EUR 1.200

2015 Arbeitsstipendium KdFS ​​​​​3 Monate á EUR 1.200

2017 Arbeitsstipendium KdFS ​​​​​3 Monate á EUR 1.200

2018 Lyrikpreis München ​​​​​​EUR 1000

2021 Arbeitsstipendium KdFS ​​​​​3 Monate á EUR 1.200

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gesamt EUR 53.9000

 

Mit allen Texten, aus denen später Bücher wurden, habe ich mich vergeblich beim Deutschen Literaturfonds beworben, mit Ausnahme von “Zurück auf Los” im Jahr 2004/05.

 

Martina Hefter